Katja Lang

Mit kräftigem Strich und scharfen Kontrasten entwirft Katja Lang poetische Landschaften von abgeschiedener Schönheit. Ihre in Schwarzweiß und Graustufen gehaltenen Arbeiten entstehen

in Druckverfahren, als Kaltnadelradierungen und Photogravüren, oder als Aquarelle. Sie zeigen Felder am Waldrand, Küstenlinien oder Dorfansichten,häufig bevölkert von einer einzelnen Person, vielleicht mal einem Paar, als einsame Wanderer in weitläufigen Gefilden. Dabei nimmt sie spannungsreiche Perspektiven ein, zeichnet Landschaften mal von enormer räumlicher Tiefe und dann wieder weit von oben, beinahe als Draufsicht. Mit den starken Kontrasten und klaren Linien wirken die Darstellungen auf den ersten Blick streng reduziert, offenbaren aber bei näherer Betrachtung eine überraschende Vielfalt an Nuancen und Details. Am intensivsten vermittelt sich jedoch die atmosphärische Dichte, man fühlt die Stimmung der Gegend, glaubt den Schnee zu riechen, den Wind zu spüren und das Knarzen der Bäume zu hören. Doch dann beschleicht einen leise das Gefühl, dass weder Mensch noch Natur, nicht der Wald, die Küste oder das Feld Motiv des Bildes ist, sondern der Raum dazwischen, die Leere, die sich erst noch füllt mit dem, was man sucht, oder dem, was einen findet. Inspiration für Ihre Darstellungen erhält die heute in Berlin lebende Künstlerin in ihrer eigenen Lebenswirklichkeit, auf Reisen und in literarischen Texten. So entstand 2009 eine zehn Radierungen umfassende Serie mit schneebedeckten Landschaften als Interpretation des von Schubert vertonten Gedichtzyklus Winterreise von Wilhelm Müller und die Reihe In Apulien folgt nicht nur den Erlebnissen der Künstlerin, sondern zugleich dem »Apulien-Gedicht« von Ingeborg Bachmann.

Katja Lang wurde 1968 in Karl-Marx-Stadt (dem heutigen Chemnitz) geboren. Ihr Studium der Malerei und Grafik bei Elke Hopfe an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden war bereits ihr Zweitstudium, dem einige Jahre zuvor ein Studium der Architektur an der TU Dresden vorausging. Heute arbeitet sie seit vielen Jahren als freie Künstlerin und zählt zu den renommiertesten zeitgenössischen Vertreterinnen der Druckgrafik. Ihre Arbeiten sind regelmäßig in zahlreichen Ausstellungen zu sehen und werden von einer breiten Sammlerschaft geschätzt.

ARTNOW Gallery, 2025

Das Tao der Stille

Andeutungen zum Werk von Katja Lang

 Von Klaus Trende 

Eine Erzählung von der Landschaft finden. Ding und Wert im Bewußtsein menschlicher Wahrnehmung wieder zusammenführen. Die Wiedereroberung einer Wirklichkeit, in der die satanische Synthese von Geist und Technologie durch eine neue Metaphysik aufgehoben wird. So könnte die Bildkunst von Katja Lang in wenigen Thesen beschrieben werden.

Katja Langs Weg zur Malerei und Grafik führt über die Architektur. Schnörkellos, subtil, und von einer berührenden Ruhe zeigen sich ihre Radierungen. Sie sind eine genuine Leistung im Kanon deutscher Gegenwartskunst. Mit kalter Nadel arbeitet die Künstlerin ihr Credo in die Zinkplatte. Und sie weiß: eine Kunst die alle ergreifen will, muß intim sein. „Das Innere ist das Universalste“, nannte es Antonio Machado.

 Und jenes Innere ist stets elementar, ja zuweilen auch in Berührungsnähe zu einer taoistischen Leere, die Bedingung ist für alles Schwerelose. So kann eine Annäherung an das Werk dieser Künstlerin gelingen, indem die Sinne des Einzelnen aufgebrochen werden, indem die immerwährende Einsamkeit des Menschen und sein Gebundensein in der Natur befragt werden.

 Da ist die großformatige Radierung „Heimweg“ aus dem Jahr 2022. Ein Bild mit weitem Horizont, an dem sich die Zeit dehnt und aufzuheben scheint. Katja Lang arbeitet die Bäume, das Schneefeld und die Schatten mit filigranen Linien ins Metall. Auf dem Blatt gibt es keinen Weg. Der Mensch muß ihn suchen. Und es ist der Einzelne, der dem unermeßlichen Raum die Magie gibt. Sie hat einen Namen. Sie scheint zum Betrachter zu sprechen. Es ist eine Melodie! Sie legt sich über das Blatt und begleitet die Gedanken: Johann Sebastian Bach, Sonaten und Partiten für Violine solo (1720). Hier ist – ohne Vorbedacht – Katja Lang jener seltene Moment gelungen, bei dem die zeitlosen Künstler aus allen Epochen mit ihren Werken einander die Botschaft weiterreichen. Sie wissen nicht voneinander, aber sie bauen an derselben Welt: die Erde als Raum menschlicher Gestaltung den Sinnen zu öffnen; die Balance zu begreifen zwischen Natur und Mensch, und der Weisheit und spirituellen Kraft von Humanitas zu vertrauen angesichts des vernichtenden Technopols im 21. Jahrhundert.

 Es ist interessant, sich den Korrespondenzen zwischen bildender Kunst und Architektur im Werk von Katja Lang zu widmen. Im Besonderen ist die Landschaft ein immerwährendes Sujet in der Grafik und Aquarellmalerei der Künstlerin. In den Entwürfen des amerikanischen Architekten und Schriftstellers Frank Lloyd Wright (1867-1959) ragt eine Gestaltungsidee markant heraus: die Harmonie zwischen Mensch und Natur zu meistern. In seiner „organischen Architektur“ versuchte er dies zu realisieren.

 Den Menschen als lebendigen Impuls in der Landschaft zu verankern, ist auch ein wesentlicher Aspekt in den Bildwerken von Katja Lang. Das Augenmerk mag dabei auf der logischen Einordnung des Menschen in seine irdischen Koordinaten liegen: er ist nicht dominant. Vielleicht ist gerade dieses Weltverhältnis der Künstlerin einer Philosophie verpflichtet, die den systemischen Charakter der Natur in den Blick rückt und den Menschen von jeglicher Hybris befreit. Er ist und bleibt eine für den Kosmos unbedeutende –  schließlich einsame –  Erscheinung. Die Melancholie und Ungebundenheit der Figur, die fast allen Arbeiten von Katja Lang eigen ist, spielt mit dieser Erkenntnis. Und es ist kein Widerspruch, daß den Bildern deshalb die Schwere fehlt, daß sie frei atmen, daß sie Perspektiven sprengen, daß sie einen Subtext transportieren. Der Subtext ist die Sprache der Stille und des von Dingen befreiten Raumes. Da befindet sich der Mensch, - allein mit seinen Gedanken, seinen Sehnsüchten und seiner Suche nach Sinn. Nach sich selbst.

 Klar, einfach, still und sparsam arbeitet die Künstlerin an ihrer grafischen und malerischen Idee. Und darin liegt die Schönheit dieses Werkes. Daß die Literatur im Allgemeinen und die Dichtung im Besonderen Katja Langs Arbeit anregen, ist zweifelsfrei. Offenkundig hat die Jahrtausende alte asiatische Poesie ihr künstlerisches Vermögen und ihre ästhetische Sehweise besonders beeinflußt. Matsuo Bashó (1644-1694), der japanische Großmeister des Haiku sei genannt. Und dann Li Tai Bo (701-762), der Unsterbliche aus der Tang-Zeit.  Er war ein vagabundierendes Genie im frühen China, streifte durch die Landschaft, lebte den Augenblick mit Leichtigkeit und Wein, und er schlief unter dem Mond, wo er ohne Unterlaß von Liebe und Tod und Naturgewalten schrieb.

 Seine Gedichte sind wie Kieselsteine, schlicht und treffend, ohne Ornament, überzeugend durch die Präzision, mit der Landschaft, Menschenleben und Gedankenfülle ins Wortbild gesetzt werden. Schaut man angesichts dessen beispielhaft auf Katja Langs Aquarell „Abend am See“ (2021) oder die Kaltnadelradierung „Winterbäume“ (2022), so werden Bindungen sichtbar, die sich einer wortreichen Interpretation versagen. Und es kommen Zeilen herauf, die Bilder gebären und als eine kostbare Musik verklingen: „Das Lied wird gesagt, / besser noch: geschwiegen.“ (Antonio Machado) 

Cottbus / Berlin, Oktober 2024